Das große „Warum“ und wie es auf die Social Media Strategie wirkt

von Bianca Fritz

Was, wenn es einen Grund gebe, auf Social Media aktiv zu sein, der über das Verkaufen von Produkten und Dienstleistungen hinausgeht? Diese Idee liegt meinem Social Media Ratgeber „Mindful Social Media Marketing. Achtsam und erfolgreich verkaufen“ (2020, Rheinwerk Verlag) zu Grunde. Dieser richtet sich vor allem an Einzelunternehmen, Personal Brands und Selbständige aus dem Dienstleistungsbereich, ist aber durchaus auch für größere Unternehmen von Interesse ist. Denn letztendlich sitzen auch in den Marketingabteilungen großer Unternehmen Menschen. Menschen gestalten Content. Und Menschen sehnen sich nach Sinn. Wenn Content einen höheren Zweck erfüllt, als nur die Umsatzzahlen zu steigern, können sich die Mitarbeitenden auch auf emotionaler Ebene mit ihrer Arbeit identifizieren. Uns solche Mitarbeitenden sind zufriedener und sogar produktiver.

Die Idee, in der Unternehmenskommunikation das Warum ins Zentrum zu stelle ist seit Simon Sineks „Start with why“ in aller Munde. Dabei kommuniziert man zunächst, warum man etwas tut (den Unternehmens-Purpose), dann folgt das Wie (die Angebote/Methoden) und schließlich das Was, die speziellen Features eines Produktes oder Angebots. Diese Art der Kommunikation hat eine ganze Reihe an Vorteilen:

  1. Selbst wenn Kundinnen nicht bewusst ist, dass sie das Warum eines Unternehmens teilen, spricht eine Kommunikation von den Werten ausgehend ihr limbisches System an. Die Kundinnen und Kunden treffen ihre Kaufentscheidung also nicht nur aufgrund von Features, sondern vor allem emotional: Es fühlt sich einfach richtig an, bei einem Unternehmen einzukaufen.
  2. Wenn sich Kundinnen bewusst sind, dass sie das Warum eines Unternehmens teilen, werden sie zu Superfans, die im besten Fall gar unbezahlt für das Unternehmen werben. Sie möchten zeigen: „Auch ich unterstütze diese Vision.“
  3. Anbieter bleiben flexibel in der Gestaltung der Angebote und Produkte. Was immer dem eigenen Warum dient, ist erlaubt.

Weil das so gut funktioniert, schreiben sich auch stark gewinnorientierte Großkonzerne eherne Interessen auf die Fahne. So kann man als Konsumentin den Eindruck gewinnen, dass alle die Wirtschaftsbosse in Wahrheit gar nicht unbedingt Geld verdienen, sondern die Welt retten wollen. Nicht nur das: Käuferinnen und Käufer erwarten zunehmend, dass Unternehmen soziale und ökologische Verantwortung übernehmen.

Aber Achtung: Sie sind umso enttäuschter, wenn sich das Warum oder die Unternehmensvision als leeres Versprechen entpuppt. Wenn das Handeln dem Warum entgegenläuft verlieren Anbieter das Vertrauen. Wer kauft beispielsweise dem Facebook-Konzern, jetzt Meta, sein Warum noch ab, „Menschen zu verbinden und Beziehungen zu stärken“? Wo doch die Facebookpapers darauf hindeuten, dass der Konzern die spaltenden und manipulierenden Tendenzen des eigenen Algorithmus wissentlich in Kauf nimmt? Dass der Profit über das Wohl der Nutzer gestellt wird.

Auch wenn sich Großkonzerne wie h&m ein grünes Image geben wollen, während sie tonnenweise Kleidung verbrennen, fällt das dem Unternehmen früher oder später auf die Füße. Fans wenden sich enttäuscht ab oder rufen sogar zum Boykott auf, wenn sie solche Greenwashingmethoden wittern.

Genau deshalb sollte ein Warum niemals leichtfertig gewählt und nach außen kommuniziert werden, sondern auf die tiefe Intention der Gründerinnen zurückgehen. Das so genannte „große Warum“ in „Mindful Social Media Marketing“ geht über eine wohlklingende Unternehmensvision hinaus. Es nimmt den CEO als Menschen ins Visier und verknüpft seinen Lebenssinn mit dem, was er anbietet. Dafür wird so lange nach dem Warum gefragt, bis klar ist, um welches menschliche Grundbedürfnis sich der Anbieter aus tiefstem Herzen kümmern möchte. Heraus kommen dann Sätze, die ein Leben lang Leitsatz sein dürfen, beispielsweise: „Ich unterstütze dich darin, echte Verbindung zu leben.“ Oder: „Ich gebe dir Sicherheit.“

Bei der Wahl des großen Warums sollte zudem darauf geachtet werden, was die einzelne Person besonders gut kann und womit sie den größten positiven Einfluss auf die Welt haben kann. Denn das Warum ist kein Satz fürs Ego. Er fasst die Rolle der Person. Er ist die Antwort auf die Frage: „Warum bin ich eigentlich hier?“

So beginnt also die Reise in die Sichtbarkeit mit dem Blick nach Innen. In „Mindful Social Media Marketing“ gibt es dafür Arbeitsblätter mit Reflexionsfragen, die sich auf den bisherigen Lebensweg mit wichtigen Wendepunkten, die Wünsche, Sehnsüchte und Ängste des Anbieters beziehen. Auf den ersten Blick scheint dies ein mühsamer Umweg, insbesondere, wenn sich ein Unternehmen von der Person des Gründers bereits unabhängig gemacht hat. Und doch lohnt sich dieser tiefergehende Blick in jeder Unternehmensphase. Denn im große Warum liegen sind bereits die Antworten auf alle weiteren strategischen Fragen angelegt.

Ob der Warum-Satz nach, oder lieber intern kommuniziert wird, ist Geschmackssache. Vielen der Einzelunternehmen, mit denen ich bisher gearbeitet habe, dient er eher als Grundlage, um dann von dort aus einen Claim oder Elevator-Pitch zu formulieren. Das macht auch aus SEO-Sicht Sinn, weil ein Satz der aus dem Inneren der Gründerin stammt, doch nur sehr selten klare Keywords enthält.

Vom Warum zur Social-Media-Strategie

Wenn das große Warum bestimmt ist, geht es an die Auswahl der kleineren Warums. Oder anders gesagt: Das Warum zieht sich als Leitfaden durch alle strategischen Fragen. Von der Auswahl der Marketingkanäle bis hin zur Frage „WARUM wollen wir genau das jetut posten?“ Wie das Warum hier wirkt, zeigen folgende Beispiele:

Das große Warum und die Zielgruppe bzw. der Wunschkundenavatar: Wer seinen Warum-Satz formuliert hat, die Reise nach Innen angetreten hat, hat nicht selten bereits schon konkrete Menschen vor Augen, die er oder sie unterstützen möchte. Wenn das nicht der Fall ist, kann man sich auf seine Rolle beziehen und sich fragen: „Wer braucht die Erfüllung meines Warums besonders?“ Ein Beispiel: Mein eigener Warum-Satz lautet: Ich unterstützte die, die Gutes in die Welt bringen, gesehen und verstanden zu werden. Es geht also um das Grundbedürfnis der Anerkennung. Ich kann mich bei der Suche nach meinen Wunschkundinnen daher fragen: Wem wird die Anerkennung verwehrt? Wer braucht mich in meiner Rolle ganz besonders?

Das Warum und die Wahl der Social Media Kanäle und Formate: Wer weiß, welches Grundbedürfnis bei der Traumkundin oder dem Traumkunden abgedeckt wird, sucht sich Kanäle und Formate aus, die dazu passen. So würde eine CEO, die das Bedürfnis „Verbindung“ abdeckt, Kanäle auswählen, die das Bilden einer Community unterstützen. Sie könnte beispielsweise auf geschlossene Gruppen bei Facebook setzen. Wer „Freude“ als seinen tiefen Sinn definiert hat, setzt auch Formate die Spaß machen und inspirieren, wie beispielsweise Reels oder andere kurzweilige Dastellungsformen für seine Inhalte und wählt die Kanäle dementsprechend.

Das Warum und die Content-Themenplanung: Seth Godin schrieb in „Das ist Marketing“, dass nicht erst unser Angebot das Problem der Kundinnen lösen soll – sondern schon unser Marketing. Mich führt dies zu der Frage: „Wie kann ich für meine Wunschkundin mein Warum bereits mit meinem Marketing erfüllen?“. Dieser Blick hilft wertvolle Content-Ideen zu generieren, die dafür sorgen, dass potenzielle Wunschkundinnen Vertrauen aufbauen und das eigene Unternehmen zur Go-To-Adresse für bestimmte Themen wird. Die User trauen dem Unternehmen zu, dass es dabei helfen wird, die eigenen Bedürfnisse zu stillen. Weil sie es bereits auf Social-Media und Co erleben durften. Diese Herangehensweise für die allgemeine Themen-Gewinnung wird ergänzt durch einen kritischen Blick während der Content-Produktion: „Was ist die Intention dieses Posts?“ und „Erfüllt er mein Warum?“ sind Checkfragen, die in den Content-Workflow eingebunden werden sollten.

Das Warum und der Content-Workflow: Wer so intentional postet, wie ich das eben beschrieben habe, wird nicht weiter auf Content-Masse setzen können. Qualität statt Quantität ist auch ein Grundsatz, der von den Algorithmen und den Usern der Sozialen Netzwerke immer stärker gefordert wird. Was, wenn sich Unternehmen nicht mehr fragen, wie viele Posts sie pro Woche veröffentlichen sollten, sondern vielmehr danach gehen, wie viele Posts ihre Mitarbeitenden gestalten können, die das Warum erfüllen? So wird wieder der Content-Creator als Mensch mit seinen Kapazitäten und Ideen in den Fokus gerückt.

Gerade der letzte Punkt zeigt noch einmal, wohin die Reise in „Mindful Social Media Markting“ geht: Weg von einer Marke-zu-Kunde und hin zu einer Mensch-zu-Mensch-Kommunikation. Hier können größere Unternehmen viel von kleinen, personenbezogenen Marken lernen.

Das Buch :

Bianca Fritz: „Mindful Social Media Marketing. Achtsam und erfolgreich kommunizieren“ erschien im Dezember 2020 im Rheinwerk Verlag. Auf 427 Seiten wird der Prozess, wie man zum großen „Warum“ findet und dieses als Grundlage für eine eigene Social-Media-Strategie nutzt genau erörtert. Arbeitsblätter im Anhang des Buches unterstützen den Prozess.

427 Seiten, 2020, broschiert, in Farbe, Rheinwerk Computing, ISBN 978-3-8362-8004-4 für 29,90 EUR erhältlich.

Autorenvita :

Bianca Fritz (biancafritz.com) bietet auch Kurse und Coachings zum Buch, individuelle Warum-Sessions und Workshops rund um das Thema achtsame Contenterstellung an. Sie hat in mehr als 20 Jahren als Journalistin und Redaktionsleiterin gelernt, immer nach dem Warum zu fragen. Weil dahinter erst die wirklich spannenden und berührenden Antworten liegen. Heute ist sie Beraterin für wertvollen Online-Content und Yogalehrerin. Ihre Spezialität ist, Marketing mit Leichtigkeit und Achtsamkeit zu verbinden. Mehr auf biancafritz.com

snookersb

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