„EIN BISSCHEN SCHWANGER GEHT NICHT“: VOLLZEITPROJEKT SOCIAL MEDIA

„EIN BISSCHEN SCHWANGER GEHT NICHT“: VOLLZEITPROJEKT SOCIAL MEDIA

EIN GASTBEITRAG VON NADINE DLOUHY

Wenn sich eine neue olympische Disziplin in den vergangenen Jahren hätte etablieren können, dann die Social-Media-Activity. Doch das olympische Motto „Dabei sein ist alles“ stimmt schon lange nicht mehr. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist allen bewusst, dass Social Media ein knallhartes Business ist. Im täg-lichen Kampf um Sichtbarkeit, mehr Follower, Likes und Engagement gibt es mehr Möglichkeiten hinsichtlich Reichweite & Co., aber auch deutlich mehr Wettbewerb und Risiken.

Was braucht man für ein erfolgreiches Social Media- Marketing und warum wächst der Frust bei immer mehr Unternehmen, die ihr Online-Business aufbauen wollen?

Zunächst einmal braucht es die Wahrheit! Dabei zu sein reicht nicht aus und allein an einem Rädchen zu drehen, wird nicht zum gewünschten Erfolg von mehr Reichweite, Verkäufen und Neukunden führen. In dem umkämpften Haifischbecken sind die Höhe des Budgets und/oder eine intelligente Gesamt-Strategie unabdingbar.

Fakt ist, rund um das Social-Media-Business wird viel versprochen und am Horizont strahlt das Licht der Hoffnung… Doch die Sonne des Erfolgs will nicht ganz aufgehen. So, oder so ähnlich, geht es vielen Selbststän-digen und Unternehmen. Mit vielen Impulsen und Ak-tionen investieren sie teilweise hohe Summen und Budgets, in der Hoffnung, endlich die ersehnte digitale Sichtbarkeit und Erlebbarkeit zu erlangen.

Ich möchte es einmal so sagen: Zuerst gab es Coffee to go, dann Botox to go und nun gibt es an jeder digitalen Datenstraße Erfolg to go. Irre! Einfach so, man muss nur draufklicken und ist unmittelbar bei der Erfolgsparty dabei. Doch die Wahrheit sieht anders aus. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber nicht überall, wo Erfolg draufsteht, ist auch Erfolg drin. Erfolg ist komplex und man benötigt einen langen Atem.

Und wie gesagt, die Gesamt-Strategie ist wichtig. Nur mit einem Lenkrad, einem Reifen oder einer Schraube kommen Sie nicht weit. Selbst wenn Sie das teuerste Lenkrad kaufen, ohne Motor & Co. wird es schwer bis unmöglich, das Ziel zu erreichen.
Die EINE Strategie gibt es nicht. Auch, wenn es viele Anbieter im Markt dem im Internet Erfolg suchenden Menschen glauben machen wollen. Die Digitalisierung fördert die Individualisierung und Branchen, Zielgruppen, Märkte sind dynamisch. Dies wird sich auch noch weiter steigern. Wir müssen multidimensional denken, planen und handeln. Kurz: THINK SMART & MIX. Dabei gibt es drei Hauptziele: 1. Emotionalisieren. 2. Digitalisieren. 3. Kapitalisieren. Um diese zu erreichen, spielen die strategische Positionierung meiner Marke, meine Zielgruppe, mein Storytelling wichtige Rollen. Wenn diese Punkte stehen, geht es weiter um die richtige Verteilung und Platzierung innerhalb des World Wide Webs. Webseite, Online-Funnel, Vertriebskanäle, Anzeigen & Co. sind weitere essenzielle Bestandteile, um überhaupt sichtbar zu werden. Für Sichtbarkeit benötige ich Reichweite – aber bitte auch die richtige.
Denn Löwen fressen keine Möhren… Sprich, die Zielgruppe ist wichtig. Wir sehen, Marketing ist komplex und multidimensionale Online-Strategien sind angesagt.

Wie finde ich die richtige Zielgruppe, denn der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler?

Die Definition Ihrer Zielgruppe ist eine der Hauptaufgaben in Ihrem Businessplan, auch online. Alle Marke-tingaktivitäten bauen später darauf auf. Eine gute Idee zu haben ist toll, die zentrale Frage ist, wer das Produkt, die Dienstleistung in Zukunft kauft. Wer hat Bedarf?
Das Wissen, WER die Zielgruppe ist und WO wir diese finden, entscheidet über Kauf und Nichtkauf. Kurz: Wie gut wir unsere Zielgruppe kennen, hat entscheidenden Einfluss auf unseren Erfolg.

Was vor Jahren auf eine einfache Weise ausgewertet und definiert wurde, ist heute in unserer hoch individualisierten Gesellschaft zum Problem bzw. zu einer komplexen Herausforderung geworden: Menschen nach Ge-meinsamkeiten und statistischen Attributen in feste Zielgruppen zu sortieren.
Seine Zielgruppe entsprechend detailliert und vollständig zu definieren ist deswegen so schwierig, weil sich Menschen heutzutage nicht mehr derartig eindimensional clustern lassen. Viel mehr konzentriert man sich im Marketing auf die Meet-Points, also in welchen Kommu-nikationskanälen man die vermeintliche Zielgruppe antrifft.
Zielgruppen bedeuten heute eine unberechenbare Individualität. Auf der einen Seite ist man heute durch modernste Tools und Algorithmen in der Lage, seine Zielgruppe genau zu durchleuchten. Auf der anderen Seite unterliegen diese Auswertungen starken Schwankungen. Es sind nicht nur die Märkte, die Dynamiken unterliegen, sondern auch die Bedürfnisse und Interessen von Menschen unterliegen einem ständigen Wandel. Wurden vor Jahren Zielgruppen-Analysen alle paar Jahre gemacht, sind Unternehmen heute gut beraten, diese Tests ein- bis zweimal im Jahr zu machen. Mit dem Ergebnis der „fragmentierten“ Zielgruppen. Das Internet und die anhaltende Vernetzung unserer Gesellschaft verleihen uns einen beachtlichen Zuwachs an Autonomie. Unsere Gesellschaft differenziert sich in unzählige Special-Inte-rest-Gruppen und offenbart dabei ein augenscheinlich paradoxes Phänomen: Wir streben nach Individualität und suchen doch die Gemeinschaft.

Fakt ist, noch nie konnten Unternehmen ihren Kunden so nah sein: 24/7 und 365 Tage im Jahr. Mehr Zielgruppe geht nicht. Die Königsdisziplin: Erhöhung der Reichweite beutetet Kundengewinnung für morgen. Das Ziel: Zielgruppen-Bindung durch emotionale Souveränität. In unserer durchrationalisierten Wirtschaft spielen Emotionen eine besonders wichtige Rolle. Als wichtigster Treiber unseres menschlichen Handelns beeinflussen sie unsere Kaufentscheidungen hochgradig.

Die wenigsten Unternehmen haben verstanden, dass die Verkäufermärkte zu Käufermärkten geworden sind. Fakt ist, dass in einem immer härter umkämpften Markt mit Preis- und Produktgleichheit das Image einer Marke, eines Unternehmens, aber auch von Menschen immer mehr zur alles entscheidenden Wirtschaftskraft wird. Das heißt im Klartext, dass Konsumenten immer weniger das Produkt, als vielmehr das Gefühl kaufen, das a) beim Kauf entsteht oder b) durch das Produkt erworben wird. Die meisten Unternehmen denken von ihrem Produkt aus und haben wenig Verständnis für ihre Zielgruppe. Manche mögen hier vehement widersprechen, ignorieren dabei aber die Realität, dass Märkte stets in Bewegung sind und sich neu sortieren – und wo Märkte sich verändern, verändern sich auch ihre Zielgruppen.

Wie wichtig ist der Content bzw. das Storytelling?

Was für B2C funktioniert, kann für B2B nicht schlecht sein. Nach diesem Credo entdecken nun auch immer mehr Unternehmen das Social Media Marketing für ihre Unternehmenskommunikation. Die meisten Unternehmen und Marketingabteilungen haben noch nicht verstanden, wie sie über die Social Media Kanäle erfolgreich kommunizieren. Das größte Potenzial gewinnbringender Unternehmenskommunikation liegt im Content. Die traurige Nachricht ist: Die wenigsten Unternehmen haben Content, der relevant und wettbewerbsfähig ist.

Sie tun Gutes – also reden Sie darüber. Wichtig ist allerdings immer die Frage der Perspektive. Erfolgreicher Content bedeutet relevanter Inhalt, der sich in die gesamte Brand Experience des Unternehmens einbinden lässt und darüber hinaus für mehr Reichweite sorgt. Das sind die Kunden von morgen. Content steht für die Haltung des Unternehmens und steigert den BrandMood und damit die Wertschöpfungskette. BrandMood steht für das Markengefühl, welches zum entscheidenden Faktor für loyale Kunden und Mitarbeiter wird.

Guter Content ist nicht nur relevant, sondern erzählt be-wegende Stories, welche zur stärkeren Identifikation und Kunden-Bindung führen. Ein wertvolles Ziel zur Steigerung des Markenwertes. Während Werbung immer eher den Ruf des Verkäuferischen und des Inszenierens hatte, hat Content die Macht des Faktischen und baut auf Trustbuilding auf. Gerade in Zeiten der Digitalisie-rung wird die Individualisierung immer wichtiger. Dabei ist Authentizität die neue Ehrlichkeit und schafft Vertrauen. Guter und relevanter Content bedeutet Mehrwert und Content-Marketing ist, im Gegensatz zur traditionellen Werbung, ein sich schnell wandelnder Markt. Unbedingt wichtig ist dabei, dass dies immer in Bezug und Relevanz zur eigenen Markenstrategie und der Werte-DNA geschieht. Gelebter Content ist eine intelligente crossmediale Platzierung, Distribution sowie ein professionelles Controlling.
 
Reicht digitale Sichtbarkeit aus und welche Rolle spielt der Mensch in der digitalen Kommunikation?

Der Erfolgscode heißt „Digitale Empathie“. Doch wie geht das Fühlen mit 0 und 1? Industrie 4.0 und Digi-talisierung 4.0, folgt nun auch der Mensch 4.0 – benötigt der Mensch ein Update, um mit den technologischen Entwicklungen weiterhin mithalten zu können?

Digitalisierung ist keine natürliche Evolution, sondern ein von Menschenhand gemachter Prozess und dennoch fühlt es sich an, als würden wir die Kontrolle über uns selbst und unsere Entwicklungen verlieren. Eine Empfindung, dass Menschen nicht mehr benötigt werden, KI zunehmend die Kontrolle übernimmt und der Mensch langsam aber sicher überflüssig wird – quasi ein Fehler in der Gleichung. Muss sich der Mensch neu erfinden, um überlebensfähig zu bleiben?
Allgemein gesprochen ist Empathie ein Mechanismus der sozialen Kognition, der Aufschluss über die emotionale Verfassung eines anderen vermittelt, wobei der Teilhabe an der Emotion des anderen eine entscheidende Rolle zugewiesen wird.

Weitere Punkte sind:

  • die Fähigkeit, affektive Zustände anderer zu erkennen und zu benennen,
  • die Fähigkeit, die Perspektive und Rolle des anderen zu übernehmen, und
  • die emotionale Erlebnisfähigkeit, um das beobachtete Gefühl teilen zu können

Die größte Herausforderung dabei ist die Dechiffrierung von Nachrichten, denn häufig fehlt der Kontext, in dem die Botschaft verfasst wurde oder es gibt keine Anhaltspunkte, in welchem Zustand sich der Absender befand (emotional, situativ etc.), als er die Nachricht sendete. Zentral wird es sein, nicht nur analog empathisch zu sein, sondern auch digital eine Empathie zu entwickeln – folglich mit 0 und 1 zu fühlen.

In der analogen Welt kann ein Mensch ohne erkennbaren Grund, ohne Worte sympathisch wirken, doch wie funktioniert diese Empfindung in der digitalen Welt? Unser kognitives System hat sich an eine unterbewusste Sprachsensorik des Körpers gewöhnt – diese wird während eines persönlichen Gesprächs abgeglichen: in der Folge empfinden wir das Gegenüber sympathisch oder eben nicht. Dieser Prozess ist digital nicht so einfach abzubilden. Am nächsten kommt dem Ganzen noch eine Videokonferenz – wobei hier Eindrücke wie Geruch, direktes Sehen oder Spüren fehlen. Menschen suchen Vertrauen, Orientierung, Struktur und Sicherheit. Eine digitale Erreichbarkeit bedeutet Nähe und Transparenz. Empathie erlaubt uns, die Motivation und das Verhalten der Menschen nicht nur zu verstehen, sondern auch zu steuern und damit vorhersehbar zu machen.

Merkmale einer digitalen Empathie

  • Kommunizieren Sie als Mensch, nicht als Bot oder Roboter
  • Empathie durch User Interface auslösen
  • Intuitive Kommunikation
  • Erfahrungserwartungen – kognitive Empathie; Erwartungen erahnen & optimieren
  • Transparente Kommunikation – Vertrauensbildung durch Klarheit, Offenheit & Ehrlichkeit
  • Digitale Benutzersicherheit schaffen
  • Real Time oder Live-Interaktion mit Kunden
  • Social Listening erfassen und zeitnah reagieren – 24/7

Die Notwendigkeit der digitalen Empathie

Empathie mit Blick auf die digitale Kundenbindung und dem Aufbau einer Kundenbindungsstrategie ist essen-ziell und wird künftig noch wichtiger werden. Aktuell nutzen fast vier Milliarden Menschen das Internet und die prognostizierten Zahlen zeigen eine deutliche Zunahme in den kommenden Jahrzehnten. Und sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt gilt: Menschen suchen Orientierung, Struktur und Vertrauen. Gesetze, Normen- und Wertvorstellungen der analogen Welt müssen auch unbedingt in der digitalen Welt Geltung haben. Empathie ist dabei eine Schlüsselkompetenz, die Orientierung bietet – man erfährt durch sie Zugehörigkeit und sie spendet Identifikation. Zentral wird sein, dass „dabei sein“ nicht ausreichen wird und kann.
Wir wollen nicht „nur so“ von außen zusehen oder nur „nebenbei“ fühlen. Wir wollen 100 Prozent Gefühl. Digitale Empathie kann einen Mehrwert bieten, den es zu nutzen gilt.

Es ist wichtig, Raum & Zeit für Gefühle zu schaffen. Zeit ist und wird weiterhin in der digitalen Welt einen entscheidenden Schlüsselfaktor einnehmen. Hier muss aber differenziert werden: nicht allein Schnelligkeit ist ausschlaggebend.
Relevant wird sein, dass man sich Zeit nimmt. Das begrenzte Kontingent an Zeit, um das Gegenüber empa-thisch zu erreichen, zu überzeugen, zu fühlen, um so genau die richtige Entscheidung treffen zu können, muss optimal und individuell genutzt werden.

Das bedeutet: kein Service „von der Stange“, sondern auf die Person angepasste Handlungsmöglichkeiten. Auf analoge Kommunikation erhalten wir unverzüglich Rückmeldung (z.B. Mimik & Gestik), digital müssen wir Verzögerungseffekte berücksichtigen.
Um Missverständnisse, Fehlinterpretationen und irrtümliche Auslegungen zu vermeiden, die wiederum zu einer fehlgeschlagenen Kommunikation führen können, müssen wir digital empathischer werden.

Fazit: Zentral wird es sein, Zielgruppen genau zu kennen, um das Nutzerverhalten nachvollziehen zu können. Verstehen wir digitale Empathie als neue Form der User-Experience, bietet sich ein Mehrwert für alle Bezugsgruppen. Denn trotz des Strebens nach Individualität suchen Menschen nach Gemeinschaft. Ein wichtiges Gut ist dabei das digitale Trust-Building – denn Menschen wollen vertrauen.

Über die Autorin:
Nadine Dlouhy ist mehrfach ausgezeichnete Top-Expertin für strategische Markenent-wicklung und Positionierung. Als CEO der BrandLite GmbH unterstützt sie Unternehmen dabei, Marken digital sichtbar und erlebbar zu machen.
Zudem ist sie als Dozentin an der Hochschule Fresenius University of Applied Science tätig – ihre Schwerpunkte liegen hier mitunter im Bereich „Digitale Innovation“ und „Strategisches Management“. Mit Ihrem Buch „Think Innovation – der Management-Ratgeber“ ist sie Amazon-Bestseller-Autorin und zählt zu den Top10 Coaches in D/A/CH. Regelmäßig wird Nadine Dlouhy von renommierten Medien, wie z.B. N-TV, FOCUS, W&V, WDR u.v.m. als Expertin interviewt.

snookersb

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